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Uwe Rauschenbach: Relevanzabhängige Darstellung von Meldungen über Benutzeraktivitäten in einem gemeinsamen Arbeitsbereich. Diplomarbeit, Universität Rostock, Fachbereich Informatik, 1995.

Verweise

Kurzfassung

Ein gemeinsamer Arbeitsbereich ermöglicht es mehreren Benutzern, auf die darin befindlichen Objekte zuzugreifen. Dabei muß das System jedem Benutzer die Aktivitäten der Kooperationspartner darstellen, soweit sie für dessen Arbeit relevant sind. Nach einem Überblick zum Thema Groupware-Benutzerschnittstellen untersucht die vorliegende Arbeit Möglichkeiten der relevanzabhängigen Darstellung von Meldungen über Benutzeraktivitäten in einem gemeinsamen Arbeitsbereich. Ein Modell für Meldungen wird entworfen, und Techniken zur Präsentation von Meldungen inbgestufter Dringlichkeit werden vorgeschlagen. Schließlich wird ein Prototyp vorgestellt, der einen Teil des Modells implementiert.

Schlüsselwörter

CSCW, Groupware, User Interfaces, Multi User Systems, Awareness

Einleitung

In den letzten Jahren ermöglichten Fortschritte in der Software-, Hardware- und Netztechnologie die Schaffung immer komplexerer Computersysteme. Von der Unterstützung einzelner Benutzer vollzog sich im Zuge der fortschreitenden Vernetzung der Schritt zu Multiuser-Systemen. Dadurch wurde die Grundlage für rechnerunterstützte kooperative Prozesse geschaffen. Der multidisziplinäre Forschungszweig CSCW und die Softwarekategorie Groupware entstanden auf dieser Grundlage Mitte der achtziger Jahre. Als Geburtsstunde gilt die erste CSCW-Konferenz 1986 in Austin, USA.

Heute sind erste Groupwaresysteme bereits kommerziell verfügbar und werden u.a. eingesetzt, um kooperative Arbeit in räumlich verteilten Gruppen zu unterstützen. Eine Möglichkeit dazu sind virtuelle gemeinsame Arbeitsbereiche, die es mehreren Benutzern ermöglichen, auf darin befindliche Objekte zuzugreifen. Hierbei tritt in existierenden Systemen oft das Problem auf, daß ein Benutzer über für ihn relevante Aktivitäten von Kooperationspartnern nur unzureichend informiert wird. Eine häufig gestellte Frage ist zum Beispiel: "Welche Objekte wurden geändert, seit ich sie das letzte Mal gelesen habe?" Entsprechende Meldungen können dieses Informationsbedürfnis befriedigen, andererseits kann deren Flut den Benutzer in seiner Arbeit stören.

Die vorliegende Arbeit versucht, eine Lösung für das oben skizzierte Problem aufzuzeigen. Nach einem allgemeinen Überblick über das Themenfeld Groupware-Benutzerschnittstellen wird das Problem eingegrenzt und ein Lösungskonzept vorgestellt. Ausgehend von Ereignissen, die für einen Benutzer relevant sein könnten, wird ein Modell zum Spezifizieren von Relevanz und darauf aufbauend ein Modell für Ereignismeldungen entwickelt. Es werden Präsentationstechniken für diese Meldungen und ein Mechanismus zur Auswahl einer Präsentationstechnik anhand der Relevanz einer Ereignismeldung vorgeschlagen. Schließlich wird eine erste prototypische Implementierung der entwickelten Konzepte präsentiert.

Grundideen

Ein gemeinsamer Arbeitsbereich ist ein Groupwaresystem, das es mehreren Benutzern ermöglicht, gleichzeitig auf darin befindliche Objekte zuzugreifen. Von den Benutzern ausgelöste Ereignisse ändern den Zustand der Objekte im Arbeitsbereich. Die Anzeige dieser Ereignisse kann die Kooperation der Benutzer effektiver gestalten. Bestehende Systeme unterstützen das jedoch nicht oder nur unzureichend. Neben ihrem Potential zur Kooperationsunterstützung können Ereignismeldungen den Benutzer auch in seiner Arbeit stören, wenn sie gehäuft auftreten. Deshalb ist die Filterung der Ereignismeldungen durch benutzerdefinierbare Relevanzkriterien unabdingbar.

Ein dreistufiges Ereignis-Interesse-Meldungs-Modell ermöglicht diese Filterung. Der Benutzer legt die Relevanz der Meldungen über zukünftige Ereignisse durch objekt- undereignistypbezogene Interessemuster fest. Durch Interagieren mit bestehenden Meldungen kann er deren Relevanz auch nach Ereigniseintritt modifizieren. Beim Eintritt eines Ereignisses erfolgt die Auswertung der Interessemuster - an die interessierten Benutzer werden Meldungen erzeugt. Die Relevanz einer Meldung wird anhand des Interesses berechnet und weist der Meldung eine Wichtigkeit und einen Kontext zu, in dem sie relevant ist. Die konsequente Trennung zwischen Ereignis und Meldung ermöglicht es, über ein Ereignis an verschiedene Benutzer Meldungen mit unterschiedlicher Relevanz zu erzeugen.

In ihrer Dringlichkeit abgestufte Präsentationstechniken dienen dazu, die Meldungen abhängig von ihrer Relevanz darzustellen. Diese Präsentationstechniken stellen eine Erweiterung der konventionellen Desktop-Metapher dar. Ein Prototyp wurde unter Nutzung des Systems LinkWorks (TM) und einer externen Datenbank implementiert. Dieser Prototyp illustriert das Konzept des Ereignis-Interesse-Meldungs-Modells und realisiert einen Teil der vorgeschlagenen Präsentationstechniken.

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit untersuchte Möglichkeiten zur relevanzabhängigen Darstellung von Meldungen über Benutzeraktivitäten in einem gemeinsamen Arbeitsbereich. Diese fand bisher kaum Beachtung in der Literatur und in existierenden Systemen. Es wurde festgestellt, daß o.g. Meldungen die Effektivität kooperativen Arbeitens in virtuellen gemeinsamen Arbeitsbereichen erhöhen können. Der Benachrichtigungsdienst des existierenden Groupwaresystems LinkWorks Version 3.0 wurde analysiert und sein Funktionsumfang als nicht ausreichend erkannt.

Ausgehend von der Analyse entwickelte der Autor ein neuartiges Modell zur Erzeugung von Meldungen. Aktivitäten eines Benutzers bestehen im Zugriff auf die gemeinsam genutzten Objekte, wodurch Ereignisse ausgelöst werden. Meldungen über diese Ereignisse werden an die Benutzer des gemeinsamen Arbeitsbereiches gesandt. Das Modell trennt konsequent zwischen Ereignissen und den Meldungen über diese Ereignisse. Die Relevanz einer Meldung wird von Interessemustern bestimmt, die entweder vom Meldungsempfänger definiert oder als Default vorgegeben sein können. Der Empfänger der Meldung kann mit dieser interagieren, um zusätzliche Information abzufragen oder die Relevanz der Meldung zu verändern. Meldungen werden durch Kontexte gefiltert und vom Kontext ihrer Entstehung in übergeordnete Kontexte propagiert. Ein Kontext ist dabei ein Containerobjekt in der LinkWorks-Objekthierarchie.

In Abhängigkeit von der Relevanz und dem Zustand der Meldung erfolgt ihre Präsentation. Fünf Präsentationstechniken mit abgestufter Dringlichkeit wurden vorgeschlagen. Der Schwerpunkt lag hier auf einer Erweiterung des Grafikalphabetes der Icons des bestehenden Systems LinkWorks, die die Darstellung von Meldungen als Teil der Iconrepräsentation der Objekte im System ermöglicht. Die Erkennbarkeit einer Darstellung hängt auch von den Wahrnehmungsfähigkeiten des jeweiligen Benutzers und von den Darstellungsfähigkeiten der verwendeten Hard- und Software ab. Die vorliegende Arbeit könnte durch die Entwicklung alternativer Darstellungstechniken für nicht farbtüchtige Menschen oder für Rechnersysteme mit eingeschränkten Darstellungsfähigkeiten weitergeführt werden. Auch eine formale Beschreibung der Eigenschaften der Präsentationstechniken wäre ein lohnenswertes Forschungsgebiet.

Schließlich wurden die technischen Möglichkeiten zur Erweiterung des Systems LinkWorks um Mechanismen zur Meldungserzeugung und -präsentation untersucht. Dabei stellte sich heraus, daß die Programmierschnittstellen des Systems nicht ausreichen, um die Erweiterung zu implementieren. Zur Umsetzung und Veranschaulichung der Konzepte wurde ein Prototyp unter Nutzung einer externen Datenbank erstellt. Er dient als Diskussionsgrundlage für Anforderungsspezifikation und Design des Benachrichtigungs- und Informationsdienstes im Projektkonsortium und mit den Anwendungspartnern. Die Architektur des Prototypen bringt jedoch einen hohen Aufwand zur Konsistenzsicherung der Daten und Verluste an Offenheit mit sich und kommt daher für ein praxisreifes System nicht in Frage.

Als nächster Schritt nach der Implementation des Prototypen sollte sich eine Validierung des Konzeptes mit Systemanwendern und seine eventuelle Anpassung anschließen. Danach würde die Neuimplementierung unter Beachtung der Richtlinien der Software-Qualität folgen. Aufgrund der Probleme mit der Erweiterbarkeit von LinkWorks sollte diese entweder dem Hersteller von LinkWorks vorgeschlagen oder bis zur Verfügbarkeit einer verbesserten, offeneren Version des Systems verschoben werden.

Thesen

  1. Die Darstellung von Information über die Aktivitäten anderer Benutzer bei der Bearbeitung gemeinsam genutzter Objekte ist ein Kriterium, das ein Groupware-System von einem Multi-User-System unterscheidet.
  2. Information über die Aktivitäten von Kooperationspartnern schafft und erhält einen gemeinsamen Kontext für die kooperative Arbeit und kann so deren Effektivität auch beim Arbeiten über große Entfernungen in virtuellen gemeinsamen Arbeitsbereichen erhöhen.
  3. Der Informationsbedarf eines Benutzers bezieht sich sowohl auf parallel zur eigenen Arbeit verlaufende Aktivitäten als auch auf die Ergebnisse vergangener.
  4. Meldungen über die Aktivitäten anderer Benutzer müssen benutzerdefiniert gewichtet und gefiltert werden können, um eine Informationsüberflutung zu vermeiden.
  5. Die Aktivitäten eines Benutzers in einem gemeinsamen Arbeitsbereich lassen sich durch Ereignisse beschreiben. Es wurde ein dreistufiges Modell entwickelt, das für jeden Benutzer ausgehend von dessen Interesse an einem eintretenden Ereignis eine Meldung mit entsprechender Relevanz erzeugt. Besonderer Wert wurde auf die Trennung eines Ereignisses von den benutzerspezifischen Meldungen über dieses Ereignis gelegt.
  6. Eine Meldung hat einen Lebenszyklus, der durch Zustandsübergänge gekennzeichnet ist. Sie wird innerhalb der Objekthierarchie in übergeordnete Kontexte weitergeleitet. Durch Interaktion mit der Meldung kann der Benutzer Zustandsübergänge auslösen oder weitere Information erhalten.
  7. Präsentationstechniken dienen zur Darstellung von Meldungen. Fünf Techniken mit abgestufter Dringlichkeit wurden entwickelt. Eine Meldung wird mit einer Präsentationstechnik dargestellt, deren Dringlichkeit der Relevanz und dem Zustand der Meldung entspricht. Das Filtern der Meldungen erfolgt durch Meldekontexte.
  8. Bei der systemtechnischen Umsetzung des Meldedienstes muß zwischen lokalem und entferntem Echo unterschieden werden. Während die Meldung über ein Ereignis sofort dem Benutzer präsentiert werden muß, der es ausgelöst hat, sind für entfernte Benutzer längere Verzögerungen zulässig.
  9. Der Benachrichtigungsdienst des existierenden Systems LinkWorks Version 3.0 wurde untersucht. Seine Funktionalität erfüllt nicht die in dieser Arbeit gesteckten Anforderungen.
  10. Die von der Programmierschnittstelle des Systems LinkWorks zur Verfügung gestellten Möglichkeiten reichen für eine Integration des entwickelten Modells nicht aus.
  11. Auf der Basis der eingeschränkten Erweiterungsmöglichkeiten von LinkWorks und einer externen Datenbank wurde ein Prototyp implementiert, der einige Aspekte des entwickelten Modells umsetzt.
  12. Die vorliegende prototypische Lösung erfordert einen hohen Aufwand für die Konsistenzsicherung und geht auf Kosten der Offenheit und Erweiterbarkeit des Systems. Sie kommt daher für ein praxisreifes System nicht in Frage.

Danksagung

Ein Teil der hier vorgestellen Arbeit wurde im Rahmen des POLITeam-Projektes bei der Firma VW-GEDAS durchgeführt. Herzlichen Dank für die Unterstützung.